Samstag, 7. Juli 2012


Das Armbrustschiessen von 1560 zu Stuttgart

Teil I

Eine Analyse des Armbrustschiessens von 1560 zu Stuttgart mit besonderer Berücksichtigung der Schiesswettbewerbe der beginnenden Neuzeit


Pogner, 16. Jhd.


Einführung

Im Spätmittelalter nahm die Bedeutung der Fernwaffen immer mehr zu. Neben den Bogen trat zunächst die Armbrust. Diese war einfacher zu bedienen als der Bogen, hatte dafür aber eine niedrigere Feuergeschwindigkeit und war nicht leicht in der Herstellung. Später kamen die ersten Feuerwaffen hinzu. Die Feuerwaffen setzten sich schliesslich als Fernwaffe für den Infanteristen durch, es dauerte aber eine Weile, bis die Feuerwaffen (v. a. Büchsen, selten Flinten) handlich wurden, sowie schnell, stark und präzise feuern konnten.

Die Armbrust galt als Waffe des städtischen Bürgertums. Sie konnte nicht nur bei sinnvollem Einsatz am Boden einen Reiter auf Abstand halten, sondern auch von der Stadtmauer aus zum gezielten Schuss eingesetzt werden.
Das heisst aber nicht, dass sich nur Bürger in der Kunst des Armbrustschiessens übten. Dementsprechend nahmen auch verschiedene Stände und Schichten an Armbrustschiessen teil.

Symbolisch für die Schlagkraft dieser bürgerlichen Waffe in Formation wurden die Armbrusteinheiten norditalienischer Stadtstaaten wie Genua. Allerdings mussten auch sie im Hundertjährigen Krieg gegen englische Langbogenschützen empfindliche Niederlagen hinnehmen.

Wenn eine Waffe einerseits auf dem Schlachtfeld – also militärisch - und andererseits soziologisch – also als Waffe des Bürgers – so bedeutend war, dann liegt es Nahe, dass sie auch in Vereinigungen, den sog. Schützengilden, eingeübt wurde und in festlichen Vergleichskämpfen zum Einsatz kam.Diese Entwicklung verlief parallel bzw. nachholend zum Fechten mit Klingenwaffen, das zwar seit der Antike bekannt ist und beschrieben wurde, aber von dem im Mittelalter erst sehr spät adäquate Codices vorlagen.
Was beim Fechten aber Werke von Autoren wie Talhoffer und Liechtenauer und Fechtbruderschaften wie die „Marxbrüder“ darstellen, das sind beim Schiessen die Schützengilden.
Auch hier treten soziologische Implikationen offen zu Tage: So wie das eigentlich aristokratische Fechten immer mehr vom sich emanzipierenden Bürgertum angenommen wird, so geschieht dieser Prozess erst recht mit dem Schiessen. Denn nur eine bezahlbare und angemessen wirksame Schusswaffe ist (neben Langwaffen wie Spiess, Glefe und Hellebarde) eine geeignete Möglichkeit, einem berittenen Kämpfer mit ausreichender Distanzwirkung etwas entgegenzusetzen.
Ökonomisches und militärisches Erstarken des Bürgertums gehen hier Hand in Hand, auch wenn es am Übergang zwischen Mittelalter und Neuzeit noch nicht zu einem Umsturz des überkommenen Gesellschaftssystems kam.


Schiesswettbewerbe

Armbrustschiessen im 16. Jhd.:

1554                              Heidelberg
1555                              Passau
1558                              Rotweil
1560                              Stuttgart
1563                              Wien
1567                              Augsburg
1569                              Innsbruck
1573                              Zwickau
1575                              Worms
1576                              Strassburg
1577                              München


Schützenstars

In der zweiten Hälfte des 16. Jhd.s gab es ausreichend bekannte Wettbewerbe und eine ausreichend vernetzte „Szene“, dass sich so langsam Stars herausbildeten, auch wenn der Begriff modern ist. 
Damals gehörten zu den Shooting Stars im wahrsten Sinne des Wortes Männer wie Wendel Stettner aus Nürnberg, Melchior Straub aus Donzdorf (bei Göppingen) und Peter Spieß aus Neustadt an der Ha(a)rdt (Pfalz, heute N. An der Weinstrasse).

Einige Schützengilden bzw. -gesellschaften wie die von Donzdorf gedenken noch heute ihren starken Vertretern der damaligen Zeit (Melchior Straub, Ulricus Straub, Paulin Straub, Jacobus Claus, Hans Claus). 


Pritschenmeister

Pritschenmeister waren eine Art Zeremonienmeister bei bei bestimmten Veranstaltungen. Dazu gehörten auch Schützenfeste. 
Pritschenmeister haben ihren Namen von der Pritsche, einem flachen Holzbrett, mit dem Teilnehmer, die gegen die Regelm verstiessen, symbolisch gezüchtigt wurden. Sie dienten gleichzeitig der Unterhaltung und verfassten Gedichte. Dabei trugen sie eine eigene Tracht. 

Berühmte Pritschenmeister des 16. Jhd.s waren Leonhard Flexel und sein Sohn sowie Heinrich Wirri aus Aarau (heute: Schweiz).

Leonhard Flexel & Sohn



Veranstaltung

Die Teilnehmer des spätmittelalterlichen/frühneuzeitlichen Armbrustschießens 1560 in Stuttgart, insbesondere des Hauptschießens.
Am 23. Sept. 1560 trafen sich in Stuttgart über 800 Schützen zu einem Armbrustschießen. Die Schützen stammten überwiegend aus dem Reich und insbesondere aus Süd(west)- und Mitteldeutschland. Der Wettkampf wurde durch Herzog Christoff von Württemberg (1515 - 68) ausgerichtet.

Hauptschießen:
Datum: 25. 9. 1560, nachmittags.
Teilnehmer: 505 Schützen

Nachschießen:
Teilnehmer: 373 Schützen



Quellen

Dieser historische Moment der Lokal-und Turniergeschichte (“vor unserer Haustür”) wird in drei schönen Codices der Heidelberger Universitätsbibliothek im Detail beschrieben:Codex Palatinus Germanicus 77 (cpg)‏
Codex Palatinus Germanicus 78 ‏
Autor: Ulrich Erthel
Genaue Beschreibung: Dr. Karin Zimmermann,
s. Hss-Kat. (darin: Gliederung der codices)‏
Codex Palatinus Germanicus 325
Codex Palatinus Germanicus 836
Autor: Lienhart Flexel
Reimspruch auf das Armbrustschiessen 1560

Journal von und für Deutschland, 1786 I, S. 331 – 336

von Fischartt's glückhaftem Schiff (Uhland)‏

[Textbeispiele des umfangreichen Werkes folgen!]



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